Magic

Medicine Walk – Natur als Spiegel

Ein Medicine Walk ist ein schamanisches Ritual und die kleine Version einer Vision Quest. Steven Forster und Meredith Little entlehnten es dem Wissensschatz der nordamerikanischen Ureinwohner.

Um Klarheit über ein Thema zu erhalten oder deinen seelischen Standort zu bestimmen, gehst du allein hinaus in die Natur und spürst dort diesem Thema nach. Im Spiegel deiner Umwelt erhältst du geleitet von deiner Intuition eine Medizin, ein Geschenk von Eindrücken und Impulsen. Ich habe den Medicine Walk 2012 im Rahmen meiner Vision Quest kennengelernt und schätze ihn seither als Ritual.

Wie läuft ein Medicine Walk ab?

Weil ein Medicine Walk kein Instagram-Abenteuer oder ein Orientierungsmarsch ist, musst du dabei nichts leisten. Du brauchst weder Route oder Karte noch eine Uhr. Denn du richtest dich nach deinem inneren Kompass, achtest darauf, welche Lebewesen, Dinge, Orte oder Situationen dir in der Natur begegnen und zu dir sprechen – dich intuitiv ansprechen.

Trotzdem folgt das Ritual einem Rahmen, bestehend aus drei Teilen:

  • Loslösen – du lässt die Alltagswelt zurück, reinigst dich und übertrittst bewusst die Schwelle in den Ritualraum
  • Schwellenzeit – du begegnest der heiligen Welt um dich herum mit neuen Augen
  • Rückkehr – du kehrst über die Schwelle zurück und erzählst die Geschichte deiner Auszeit

Obwohl ein wichtiger Bestandteil des Rituals das Erzählen deiner Geschichte und das anschließende Spiegeln deiner Erzählung ist, kannst du den Medicine Walk auch nur für dich machen. Beim Spiegeln gibt normalerweise ein Ältester oder eine Älteste deine Geschichte in deren Worten wieder, wodurch du eine kraftvolle zweite Sicht auf deine Erlebnisse erhältst. Wenn du dir diesen essentiellen Bestandteil deines Rituals wünscht, findest du unter visionssuche.net aktuelle Termine für Medicine Walks bei ausgebildeten Leitern.

Allerdings kannst du dir auch selber eine Nachbereitung schaffen, in dem du zum Beispiel deine Geschichte erzählst und aufnimmst, oder dir selbst einen Brief schreibst.

Zudem gibt es beim Medicine Walk einige einfache Regeln:

  • du gehst allein
  • und du nimmst kein Essen mit,
  • du bewegst dich ohne Schutz und Unterkunft durch die Natur,
  • dort hinterlässt du keine Spuren
  • und was dir begegnet, ist ein heiliges Spiegelbild deiner inneren Welt. Behandle alles heilig.

Das brauchst du für den Medicine Walk:

Sorge dafür, dass du während deines Walks die Hände frei haben kannst. Je weniger du mitnimmst, desto besser. Aber sorge immer für deine Sicherheit.

  • 2-4 Stunden Zeit für dich, klassisch kannst du auch von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gehen
  • eine Schwelle, die du dir selbst an einem für dich passenden Ort baust
  • minimale Ausrüstung: wetterangepasste Kleidung für einen längeren Spaziergang, Wasserflasche, ggf. Notfallset, ein kleines Notizbuch, kleiner Rucksack
  • lass elektronische Geräte wie Handy, Kamera oder Musik-Player zu Hause, in deinem Auto oder schalte sie zumindest während des Rituals aus
  • informiere ggf. eine Person, wo du ungefähr unterwegs sein wirst und in welchem Zeitraum du ungefähr zurück sein wirst
  • reserviere ca. 1-2 Stunden zur Nachbereitung

So beginnst du das Ritual:

Meistens beginnen meine Medicine Walks ein paar Tage vorher mit dem inneren Wunsch, mich mit einem Thema in Ruhe auseinanderzusetzen. Als nächstes schaffe ich mir bewusst Zeit dafür und bereite mich vor. Dazu gehört für mich nicht nur, meinen weltlichen Rucksack zu packen, sondern auch meinen Geist zu leeren und alles andere loszulassen.

Damit ich auf mich fokussiert bleiben kann, schalte ich am Tag des Medicine Walks mein Handy aus und gebe höchstens einer vertrauenswürdigen Person Bescheid. Hiermit signalisiere ich gleichzeitig meinen Rückzug aus der Alltagswelt und löse weltliche Verbindungen für eine kurze Weile.

Wenn ich mich zu meiner Schwelle begebe, mache ich mir nochmals ganz klar und deutlich: Wofür gehe ich los? Sobald ich den Platz erreicht habe, an dem ich starten möchte, errichte ich die Schwelle. Dabei handelt es sich um eine gedachte Linie, welche die Grenze zwischen Alltagswelt und Ritualraum markiert.

Die Schwelle

Obwohl du dir einfach nur vorstellen kannst, dass du die Grenze überschreitet, ist es hilfreich, sie auch in der wirklichen Welt zu markieren und zu überschreiten. Beispielsweise mit dem Finger eine Linie in den Sand ziehen oder eine Reihe von Steinen legen. Wähle einen bestehenden Riss im Boden, ein Stück Pflaster, deine Haustür. Oder verlasse symbolisch deinen Weg und geh ins Ungewisse.

Bevor du die Schwelle überschreitest, kannst du ein Gebet sprechen und um Schutz für deine Zeit in der Ritualwelt bitten. Damit stimmst du dich zusätzlich darauf ein, die Alltagswelt und deren Gesetze jetzt hinter dir zu lassen.

Überschreite die Schwelle ganz bewusst, vielleicht auch in dem du es laut sagst: „Ich überschreite die Schwelle in die heilige Welt auf der Suche nach […].“

Zwar kannst du zu dieser Schwelle zurückkehren, aber das ist nicht nötig. Im Lauf des Rituals kommst du vielleicht zu einem anderen Ort, der besser zu deiner Rückkehr passt. Daher musst du dir nicht merken, wo sie war.

Jenseits der Schwelle

Während deines Rituals folgst du deinen inneren Impulsen. Wenn dich ein Ort anzieht, an dem du eine Weile verbringen und dich vielleicht ausruhen möchtest, dann folge ihm. Vielleicht bist du auch die ganze Zeit in Bewegung. Zudem begegnen dir Tiere und Dinge, die Gedanken in dir wecken. Bleib achtsam für deine Gefühle. Und lass dir Zeit, mit allen Sinnen Kontakt mit der Welt um dich herum aufzunehmen. Alles in dieser Welt ist ein Symbol für deine innere Wahrheit.

Auch wenn es wunderschön sein kann, ganz allein durch unberührte Natur zu streifen, musst du nicht kilometerweit fahren. Denn dein Medicine Walk kann direkt vor deiner Haustür beginnen. Oft empfinde ich es als besonders spannend, eine scheinbar gewohnte Umgebung ganz neu zu erkunden und andere Wege zu gehen. Kurzum: Ja, das geht auch im Stadtpark oder einer Industriebrache.

Falls du anderen Menschen begegnest, mache dir bewusst, dass du dich gerade nicht in deren Welt aufhältst und für sie nicht erreichbar bist. Grüße vielleicht freundlich, aber gehe weiter. Falls du angesprochen wirst, kannst du entgegnen: „Ich meditiere.“ Dann wirst du normalerweise in Ruhe gelassen.

Aus einer anderen Welt…

[…]
Vor mir, halbrund sandfarben aus dem klaren Himmel geschnitten, sind die Wände der Kiesgrube. Ein rostiger Kran, ein umgestürztes Silo. Bauschutt und Holunderbüsche. Mein vielversprechender Weg endet in einer Sackgasse. Es ist heiß hier, ziemlich unangenehm. Ich bin durstig, erinnere mich nicht daran, diesen Krater auf den Google-Bildern entdeckt zu haben. Wo bin ich? Bald wird es Abend.

Entmutigt setze ich mich hin. Nach einer Weile kommen mir Tränen. Ich fühle mich hoffnungslos. Wie nach dieser Prüfung, die ich nicht geschafft habe. Trotzdem beschließe ich, erstmal einen Schluck aus meiner Wasserflasche zu nehmen.
Ein Rascheln lässt mich aufsehen. Aus dem Augenwinkel sehe ich gerade noch etwas Grünes. Eine Eidechse! Sie huscht zwischen trockenen Gräsern auf die Böschung zu, klettert geschickt über das Geröll nach oben. Dort sitzt sie, als würde sie auf mich warten.
Ohne sie aus den Augen zu lassen, laufe ich ihr nach. Zwar mache ich mir die Hände schmutzig und stolpere, aber ich schaffe es.

Vor mir liegt ein schmaler, kaum sichtbarer Pfad durch dichten, unwegsamen Wald. In der Ferne höre ich die Bundesstraße. Geschafft. Dankbar gieße ich etwas von meinem Trinkwasser für die Eidechse aus und mache mich auf den Weg. Auch wenn ich die Prüfung nicht geschafft habe und meine Selbstvorwürfe so groß sind wie der Krater: Jetzt weiß ich, dass es weitergeht.
[…]

Kehre zurück in die Alltagswelt

Schließlich begibst du dich zurück zur Schwelle und überschreitest sie. Bevor du deine heilige Ritualwelt verlässt, bedankst du dich für den Schutz und die Weisheit, die du erfahren hast. Verwische die Schwelle hinter dir und begib dich nach Hause.

Dort schreibst du deine Geschichte auf. Hierbei helfen dir deine Erinnerungen und Notizen. Um ganz und gar wieder in der Alltagswelt anzukommen, kannst du auch etwas essen, dich waschen und deinen Rucksack auspacken.

Machst du den Medicine Walk alleine und ohne Begleitung durch einen Ältesten, wiederholst du nun deine Geschichte ganz für dich. Nimm dich beim Erzählen auf oder schreib dir selbst einen Brief. Dabei machst du deutlich, was du in deiner Auszeit gelernt hast, und was das für deinen Alltag nun bedeutet. Wenn du dir draußen ein Versprechen gegeben hast, dann wiederhole es in klaren Worten. Versiegle dein Versprechen durch Zukleben des Briefs oder Speichern der Audiodatei an einem besonderen Ort.

Zuletzt vereinbarst du mit dir selbst einen Termin vier bis acht Wochen später, an dem du deinen Brief öffnest oder deine Erzählung nochmal anhörst. Dann sprich mit deinem Ich aus der Vergangenheit und gib die Geschichte mit bekräftigenden, anerkennenden Worten wieder. Lass deine zwischenzeitlichen Erfahrungen einfließen. Wenn du es bemerkenswert findest, was du damals in der Auszeit gewagt hast und wie mutig du warst, dann sag das auf jeden Fall.

Wozu dient der Medicine Walk?

Dieses Ritual kannst du zu vielen Gelegenheiten nutzen. Oft sind Umbrüche im Leben oder auch nur in einzelnen Lebensbereichen ein Anlass, bei dem dir der Medicine Walk helfen kann. Auch wenn du gerade nichts zu klären hast, sondern einfach einen erreichten Meilenstein feiern willst.

Zudem kann diese Solozeit auch Bestandteil eines größeren Rituals werden. Beispielsweise zu einem der Jahresfeste oder im Rahmen der Rauhnächte.

Egal welcher Anlass für dich der Richtige ist, ich wünsche dir wunderbare Erlebnisse in deiner Zeit mit dir selbst in der Natur.

Bildquelle: Chris Montgomery
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